Neuigkeiten vom Projekt „Baumhöhlen für wild lebende Honigbienen“
Zurzeit ist im Biotop Winterpause. Das gilt nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Flora und Fauna. Selbst der Schnee, der früher Anlass für ausgiebige Foto-Safaris gab und genügend Material zur Illustration unserer Berichte lieferte, ist bisher ausgeblieben. Daher möchten wir die Gelegenheit nutzen, über den Stand unseres Bienenprojektes zu unterrichten. Die Bienen halten zwar auch Winterruhe und verkriechen sich in den hintersten Winkel ihrer Behausung, mit dem Frühlingsbeginn nähert sich allerdings der Zeitpunkt, an dem es sich zeigen muss, ob die Bienen den Winter gut überstanden haben und unser Projekt auf dem richtigen Weg ist.
Mit diesem Projekt wollen wir die in letzter Zeit von einigen Bienenexperten häufig geäußerte Hypothese prüfen, dass unter natürlichen Bedingungen lebende Honigbienen in der Lage sind, sich ohne Unterstützung des Menschen gegen ihren ärgsten Feind, die Varroamilbe, zu behaupten. Dazu haben wir im Frühjahr 2021 eine Baumhöhle aufgestellt. Sie wurde schnell von einem Honigbienenvolk besetzt, das dort unter möglichst natürlichen Bedingungen lebt, d.h. insbesondere ohne den Druck permanent Honig sammeln zu müssen. Unsere Aufgabe besteht lediglich darin, sie regelmäßig zu beobachten.
In einem früheren Artikel haben wir die Überlebensstrategie der Honigbienen in der kalten Winterzeit beschrieben: Kuscheln und mit der Flügelmuskulatur heizen ist das Rezept. Als Brennstoff steht der Wintervorrat von 20-30 kg Honig zur Verfügung. Im letzten Jahr sind sie damit erfolgreich durch die Herausforderung „Winter“ gekommen und haben überlebt. Wir sind guter Hoffnung, dass sie auch den laufenden Winter gut überstehen.
Im Frühjahr stehen das Sammeln von Nektar und Blütenpollen sowie die Aufzucht von Nachwuchs als Schwerpunkte im Arbeitsprogramm des Bienenvolkes. Dabei legt die Königin bis zu tausend Eier pro Tag, während die Arbeiterinnen jede Blüte in der Umgebung absuchen, um Nahrung herbeizuschaffen. Ganz nebenbei tragen sie damit auch noch zur Erhaltung der Artenvielfalt im Pflanzenreich bei. Parallel dazu wird der Innausstattung der Baumhöhle vervollständigt, beispielsweise mit dem Bau von Waben zur Speicherung von Honig und zur Aufzucht der Brut. Unsere Baumhöhle ist inzwischen randvoll mit Waben. Ein Blick hinein erinnert mehr an eine Tropfsteinhöhle als an einen Bienenstock.
Erreicht die Bienenpopulation einige zehntausend Bienen, steht das Schwärmen an. Gewöhnlich geschieht dies in der Zeit zwischen Mai und Juni. Das Schlüpfen einer neu herangezogenen Königin ist das Signal zum Schwärmen. Dabei verlässt die alte Königin mit etwa der Hälfte des Volkes das Nest und sucht sich eine neue Heimat, während die junge Königin (Tochterkönigin) bleibt und ein neues Volk aufbaut. Zuvor macht sie ihren Hochzeitsflug, bei dem sie von bis zu 15 Drohen begattet wird. Der dabei gespeicherte Spermienvorrat reicht der Königin für ihre gesamte Lebenszeit von etwa 4 Jahren und zur Befruchtung von Hunderttausenden von Eiern.
Das Schwärmen ist grundlegend sowohl für die genetische Weiterentwicklung der Bienen, als auch für die Reduzierung der Varroamilben. Man muss wissen, dass die Milben ihre Eier in die Waben mit den Bienenlarven legen. Die sich daraus entwickelten Milben ernähren sich durch Absaugen von Körperflüssigkeit aus den Bienenlarven. Das schwächt die Bienenlaven derart, dass nur noch kranke oder verstümmelte Bienen schlüpfen, die bald sterben. Nach dem Schwärmen legen die Bienen jedoch eine Brutpause von etwa einem Monat ein. Die Milben haben in dieser Zeit keine Brutmöglichkeit mehr, sodass sich ihre Anzahl dadurch erheblich reduziert. Natürlich ist auch bei dem geschwärmten Volk die Milbenpopulation geringer als vorher, weil sie in ein milbenfreies Nest ziehen und dort neu anfangen. Wird das Schwärmen unterdrückt, was in der Imkerei wegen des damit verbundenen Bienenverlustes oft geschieht, können sich die Milben ungehindert fortpflanzen und dann hilft meist nur noch die chemische Keule. Das Schwärmen und die damit verbundene Brutpause sind also ein sehr effizientes natürliches Mittel der Bienen zur Bekämpfung der Varroamilben.
Die mit dem Schwärmen verbundene genetische Weiterentwicklung der Bienen bietet langfristig die Chance eine Spezies hervorzubringen, die der aktuellen Umweltlage einschließlich der Bedrohung durch die Varroamilbe besser angepasst ist. Dieser natürliche Prozess der Evolution hat sich seit Millionen von Jahren (so lange existieren Bienen schon) bewährt und dazu geführt, dass es die Honigbienen heute noch gibt. In dieser Entwicklungszeit mussten die Bienen sicherlich zahlreiche Umweltkatastrophen, wie z.B. die Eiszeiten, überstehen und sich gegen etliche Viren, Milben und Krankheiten behaupten. Auf der Basis des Erfolgsrezeptes der Evolution und Selektion haben sie diese Herausforderungen der Natur überwunden. Vor diesem Hintergrund sei die Frage erlaubt, warum Honigbienen denn vor der Varroamilbe, die es erst ein halbes Jahrhundert bei uns gibt, kapitulieren sollten? Hier liegt die große Hoffnung des Projektes.
Im Juni 2022 konnten wir beobachten, dass von einem Tag auf den anderen fast alle Flugaktivitäten eingestellt wurden. Gleichzeitig ging auch die Anzahl der Bienen drastisch zurück. Erst nach etwa einem Monat erholte sich die Bienenpopulation und es kam langsam wieder Leben in das Bienenvolk. Wir vermuten, dass dies der Zeitpunkt war, an dem sie geschwärmt sind. Leider haben wir dieses Schauspiel verpasst. Gern hätten wir sie dabei beobachtet und vielleicht sogar ihre neue Heimat ausfindig gemacht. Insgeheim hatten wir gehofft, dass sie sich unsere inzwischen aufgestellte zweite Baumhöhle ausgesucht hätten. Leider war das nicht der Fall. Anstelle der Bienen hat sich dort eine Maus angesiedelt und die halbe Baumhöhle mit Eicheln als Wintervorrat gefüllt. Im Frühjahr werden wir eine Zwangsräumung vornehmen müssen und die Baumhöhle wieder für die Ansiedlung von Honigbienen bereithalten. So lange hat die Maus allerdings noch Schonfrist.
Als Kontrolle des Zustandes der Bienen werden regelmäßig mit einer Endoskop-Kamera Filmaufnahmen gemacht. Dazu wird das Objektiv in den Flugschlitz eingeführt. Nur in Zeiten der Hauptaktivitäten, also im Frühjahr und Sommer, ist es oft unmöglich Bilder zu bekommen, weil die Bienen die Kamera als Feind identifizieren und sich zur Abwehr um das Objektiv scharen. Zu den anderen Zeiten, geht das Filmen aber problemlos. So konnten wir u. a. das Wachsen der Bienenwaben und ihr Verhalten im Winter sehr gut verfolgen. Zu den regelmäßigen Kontrollen gehört auch die Probe auf Varroamilben. Dazu wird ein Schieber in den Flugschlitz eingeführt, mit dem herabfallende Milben aufgefangen und anschließend gezählt werden können. In der Imkerei wird das auch so gemacht und bei Überschreitung einer gewissen Milbenzahl eine Behandlung der Bienen durchgeführt. Mit etwas Stolz können wir berichten, dass bei uns bisher erst eine einzige Milbe gesichtet wurde (siehe Bild). Wir haben daher berechtigte Hoffnung, dass das so bleibt und ggf. die Selbstheilungskräfte des unter natürlichen Bedingungen lebenden Bienenvolkes ausreichen, um ihr Überleben zu sichern.