Reges Leben im Insektenhotel
13.03.2023
Mitte März, wenn die Tagestemperaturen auf 10 – 15 Grad ansteigen, erscheinen auch die ersten Insekten. Bei den Chinesen wird dieser Jahresabschnitt Jingshe (= Erwachen der Insekten) genannt.
Sonnenstrahlen erwärmen unser Insektenhotel und das rege Treiben der Wildbienen beginnt. Den Anfang machen dabei die Männchen der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta). Sie verlassen ihre Niströhren und umschwirren das Wildbienenhotel in Erwartung der Weibchen. Ihr Suchen wird allerdings auf eine längere Probe gestellt: sie erscheinen erst bis zu zwei Wochen später.
Die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) schlüpft vier Wochen später, also etwa Mitte April. Sie ist kleiner als die Gehörnte Mauerbiene und in der Größe vergleichbar mit unserer Honigbiene. Diese Art nistet gern in vorhandenen Hohlräumen aller Art, wobei auch Bohrlöcher in Gartenmöbeln und Wänden besiedelt werden. Sie umfliegt uns bei der Suche auch gern am Kaffeetisch im Garten, ist aber im Gegensatz zu den Wespen im Sommer völlig ungefährlich.
Die Weite der Niströhren in unserem Insektenhotel ist entscheidend für die Art, die hier einzieht. Röhren von etwa 6mm Durchmesser werden vorzugweise von der Roten Mauerbiene besiedelt, 8mm Röhren von der Gehörnten Mauerbiene. Sind die Hohlräume im Durchmesser noch größer, nisten im Juli/August hier auch Blattschneiderbienen z.B. die Garten-Blattschneiderbienen (Megachile willughbiella) bzw. die Platterbsen-Mörtelbiene (Megachile ericetorum). Die Blattschneiderbienen kleiden ihre Brutzellen mit rundlichen Blattstücken aus, die sie vorher aus den Blättern herausgeschnitten haben und im Flug zu ihren Nisthöhlen transportieren.
Wer sich etwas Zeit nimmt, kann das Brutgeschäft der Wildbienen auch aus der Nähe beobachten. Das Weibchen baut die etwa 20 mm langen Brutzellen hintereinander in die Hohlröhren. Zuerst wird in vielen Einzelflügen ein etwa erbsengroßes Pollen-Nektar Paket eingeflogen, darauf wird das Ei gelegt. Es folgt nun eine Zwischenwand aus Sand bzw. Lehm bevor mit dem Bau der nächsten Zelle begonnen wird. So entstehen hintereinander viele Nester, bis die Röhre voll ist. Ist die Wildbiene unterwegs auf Pollensuche, nutzen manchmal auch Parasiten die Gelegenheit, ihrerseits ihre Nachkommen ins gemachte Nest zu legen. So profitieren eine Reihe anderer Insekten, insbesondere Stechimmen und ihre Parasiten, von den Nisthilfen. Dazu gehören Goldwespen, Grabwespen, Wegwespen und Schlupfwespen. Auch verschiedene Fliegenarten wie Wollschweber, Taufliegen und Fleischfliegen treten als Futter- und Raubschmarotzer auf. Diese Tiere können wir alle im Frühjahr und Sommer an unseren Insektenhotels beobachten. Unsere Beobachtung bleibt also spannend, wir können viel entdecken und lernen vom Leben der Insekten und leisten mit unserem Insektenhotel auch gleichzeitig einen kleinen Beitrag für den Bestand dieser Arten.
Ihr werdet euch vielleicht fragen, warum die Männchen zuerst schlüpfen. Das Weibchen legt zuerst die befruchteten Eier, aus denen die Weibchen schlüpfen, in die Nester der Niströhre. Am Schluss folgen die unbefruchteten Eier, aus denen die Männchen schlüpfen. So erscheinen im Frühjahr dann automatisch die Männchen vor den Weibchen, die noch etwas länger in ihren Nestern verweilen können, bis sie allein den aufreibende Aufbau der Nester erledigen müssen. Die Mutterbiene sieht dabei nie ihre Nachkommen, die sich allein mit den Futtervorräten in den Röhren entwickeln und erst im nächsten Jingshe erwachen.
Jürgen Mangelsdorf